Die Freundschaft zwischen Charles und Harald befindet sich auf einem – sicherlich jahreszeitbedingten – frostigen Tiefpunkt. Eine gesellschaftliche Zustandsbeschreibung.

Da es immer wieder Fragen zu Harald gibt, war es geplant ein Interview zwischen Charles und Harald zu führen. Doch leider herrscht seit einiger Zeit eine Dialogflaute zwischen den beiden. Funkstille wäre ein beschönigender Ausdruck. Tatsächlich meidet Harald den Umgang mit seinem Vertrauten. Die gelieferte Erklärung klingt skurril, aber doch auch irgendwie nachvollziehbar.

Im Umfeld der Bauernstreiks und weiterer Protestaktionen ist Harald auf den Geschmack gekommen. Denn dort herrscht ein bejahendes Klima. Ein Gefühl der Einigkeit. Man ist sich einig, dass man uneinig ist. Uneinig mit denen da oben. Mit der Regierung. Mit dem System. Dieses Dagegensein erzeugt eine geradezu euphorische Grundstimmung. Nun hat sich Harald überlegt, wieso er sich die üblichen Diskussionsscharmützel mit dem offensiven Charly antun soll, wenn es doch in der Anti-Blase so kuschelig und unanstrengend ist. Dagegen dieses ständige Hinterfragen von Meinungen. Oder das insistierende Drängen auf Rechtfertigung der eigenen Überzeugungen. Dies kostet nur Zeit und Energie. Energie, die beim Protestieren sinnvoller investiert werden kann. In der Konsequenz vermeidet Harald beim – eh schon seltenen – Austausch mit Charles die heiklen Themen und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Allerweltsmaterien Sport und Kochrezepte.

Als Gelegenheitswissenschaftler wagt sich Charles nun im Selbstversuch an ein Experiment zur Glückseligkeit der Ablehnung. Wieviel Gemeinsinn entsteht durchs Dagegensein? Als Labor wählt er sein Lieblingswirtshaus. Dort gesellt er sich unauffällig, aber zielstrebig am Stammtisch zu den Dauerhockern. Nach ein paar Minuten des Ankommens nuschelt er unbeholfen die ersten Testsalven gegen „die da oben“ scheinbar wahllos ins Gemenge. Und wahrhaftig. Innerhalb kürzester Zeit purzeln die Aufregerklassiker wie Dominosteinchen und aus einem dahingehauchten Entrüstungslüftchen wird ein wahrer Protestorkan. Die Gesellschaft berauscht sich an der gemeinschaftlichen Erregung und schwelgt in einhelliger Harmonie. Beglückt ob der erfolgreichen wissenschaftlichen Anstrengung, aber auch betrübt aufgrund der bedauerlichen Bestätigung der Ausgangsthese macht sich Charles von dannen.

Es bleibt der meteorologische Hoffnungsschimmer, dass sich die frostige Jahreszeit dem Ende neigt. Dass der winterliche, anheimelnde Kuscheldrang abgelöst wird vom Frühlingserwachen. Dem Aufbäumen gegen die Meinungsbequemlichkeit.

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Beitragsbild: Danke an Pixabay