So – dann legen wir mal los mit der angekündigten „Staatskunde“-Reihe. Weltexklusiv. Drei Akte, aber ohne die gewohnte, handelsübliche Dramaturgie. Teil 1: Politik

§20 (2) Grundgesetz: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus…
Wir führen den Gedanken aus dem Zwischenspiel weiter. Der Staat – das sind wir. Wie sagt man so schön: wir haben die Hosen an.

Bei einem Staat handelt sich um einen größeren Laden mit vielfältigen Interessen, Zielen und Absichten. Daher wird die Leitung – zeitlich befristet – an Volksvertreter delegiert. Obwohl die Bezahlung im Vergleich zur freien Wirtschaft relativ mau ist, finden sich immer wieder genügend Bewerber für den Job, da die Gestaltungsmöglichkeiten um ein Vielfaches größer sind. Aus dem Willen das Amt zu behalten, entsteht direkt das jeweilige persönliche Ziel des Erwählten: Stimmen und somit Wahlen gewinnen.

Kurzer Exkurs – an dieser Stelle wird gerne der Vorwurf Populismus bemüht. Das ist grober Unfug. Der Tatbestand wird erst dann erfüllt, wenn der Politiker um die Gunst der Wähler anhand von sinnlosen oder unrealistischen Vorschlägen buhlt. Beispiele: Freibier für alle oder auch Ausländer-Maut

Zurück zum Delegieren: Der Rahmen für die Ausführung der auszuübenden Tätigkeit ist durch Gesetze und moralische Vorgaben gegeben. Was fehlt noch? Richtig! Die genauere Festlegung und Zielsetzung der Aufgabe. Im Wahlkampf bewerben sich die Parteien mit einem Wahlprogramm um den Zuschlag für ihre diesbezüglichen Vorstellungen. Der umgarnte Wähler – die faule Socke – gibt sogar das Lesen dieser Bewerbungsunterlagen an sogenannte Wahl-o-maten ab oder orientiert sich an den bekannten, historischen Markenkernen der Parteien. Nochmal – der Bewerber soll vorschlagen, wie er eine Aufgabe zu erledigen gedenkt, aber der Auftraggeber will sich eigentlich nur in etwa in der Zeitspanne einer Werbepause bei Germanys Next Top Model oder maximal einer Halbzeitpause beim Fußball mit dem Vorschlag beschäftigen. Die Vergangenheit hat bewiesen, dass dieser Ansatz nicht nur schwer realisierbar zu sein scheint. Eine mögliche Neuerung an dieser Stelle wäre die Vorgabe an die Bewerber, dass sie die Präsentation ihrer Ideen auf die durchschnittliche Länge einer WhatsApp-Nachricht beschränken. (inkl. Vorgabe der Schriftgröße)

Für den Fortlauf nehmen wir an, dass sich Wähler und Volksvertreter bei Festlegung der Vorgaben zur Ausübung der Tätigkeit irgendwie einigen können.
 
Ein wesentlicher Teil bei der Erledigung einer delegierten Aufgabe ist die Arbeitsmotivation. Aus der Arbeitswelt ist bekannt, dass allein die Erbringung der vereinbarten monatlichen Zahlung aufgrund der einhergehenden „Gewöhnlichkeit“ eher als eine Art Entschädigung für Anwesenheit betrachtet wird. Unentgeltliche und sogar mitunter standardisierte Floskeln sowohl der Anerkennung als auch des Lobes bewirken – bei einem Mindestmaß an Glaubwürdigkeit der Aussagen – einen erheblichen Impuls zur Erhöhung der Leistung der Mitarbeiter. Eine Möglichkeit besteht nun darin Jürgen Klopp als Motivator für die Bundesregierung zu engagieren. Ein herrliches Bild entsteht: der zähnefletschende, wild gestikulierende Klopp peitscht das Kabinett an. Daraufhin eilen und hetzen die Politiker samt Gefolgschaft – teils mit Schaum vorm Mund, teils mit hängender Zunge – über die Gänge der Ministerien (Ich überlasse es der Interpretation des Lesers, warum ich nicht den bald arbeitslosen Bundesjogi in der Rolle sehe. Nur so viel: Espresso trinken und über Umbrüche philosophieren können die Politiker erwiesenermaßen auch ohne Anleitung).

In der Realität sieht es derzeit so aus, dass die Anerkennung für einen Volksvertreter aus einer guten Platzierung in der Rangfolge der am wenigsten unbeliebten Politiker besteht. Hier wäre es zum Beispiel einen Gedanken wert, jährlich einen Politiker für seine erbrachten Leistungen auszuzeichnen. Per Umfrage erfolgt der Vorentscheid, welche zehn Politiker dann im Rahmen einer TV-Sendung ihre Erfolge präsentieren dürfen. Per Online-Abstimmung wird am Ende der Gewinner ermittelt. Dieser bekommt dann einen symbolischen Preis. Zum Beispiel eine Büste von Adenauer en miniature. Und als „werthaltige“ Prämie gibt es einen Rücktritt frei.

Aus der Tatsache, dass die wenigsten politischen Vorhaben einseitig positiv bewertet werden können, hat die lernende Spezies Homo Politicus weitere Grundsätze für die Ausübung der Tätigkeit entwickelt: Entscheidungenwerden nur getroffen, wenn a) die Resultate erst nach der nächsten Wahl erkennbar sind oder b) aufgrund der unklaren Zuständigkeit (EU vs. D oder Bund vs. Länder) mehrere potenzielle Sündenböcke zur Auswahl stehen.

An dieser Stelle verweise ich auf eine Bullauge- Spezialausgabe „Lokalpolitik“, die in Arbeit ist und wünsche meinen Lesern eine schöne, letzte Fastenwoche. Dieses Jahr haben wir dann reichlich verzichtet – das reicht für zehn Fastenzeiten!

Zugabe: Weil es so schön ist. Eine fiktive Anekdote. Folgendes Bild. Pressekonferenz. Eine Heerschar an Kameras gerichtet auf ihn. Markus Söder. Da steht er nun. Wie ein geprügelter Hund. Räuspernd verkündet er seinen Rücktritt aufgrund von – erfundenes Beispiel – missratenem Krisenmanagement. Und da plötzlich weicht der Schrecken in seinem Gesicht einem spitzbübischen Lächeln. Aus der Jackentasche holt er einen größeren Zettel und auf dem steht in großen Lettern: Rücktritt frei. Aus dem Lächeln wird ein Grinsen und dann entschwindet er vergnügt zurück auf seinen Thron…äähhh…Arbeitsplatz. Jetzt aber: Vorhang zu!