Die Zeit des Wartens ist vorbei. Nach fast einem Jahr liege ich wieder am Pool auf Lauerstellung und freue mich auf ein Wiedersehen mit meiner „Urlaubsbekanntschaft“. https://bullauge-blog.de/2021/09/03/urlaubsbekanntschaft/  Doch bereits nach ein paar Tagen des Observierens weicht die Vorfreude dem schalen Gefühl einer unerfüllten Begehrlichkeit. Doch zum Glück bietet das Poolleben ausreichend Unterhaltung zur Ablenkung.

Käsig

Besonders die länder- und somit häufig auch sprachübergreifenden Konversationen am Rande des kühlen Nass beinhalten viel Schmunzelpotenzial. Ein konkretes Beispiel: eine gut erhaltene Mittvierzigerin. Optimistisch formuliert also in der Blüte ihres Lebens. Widergespiegelt durch das passende Motiv ihres Badeanzugs. Sowohl sprachlich als auch geographisch im bayrischen Voralpenland beheimatet. Im regen Austausch mit einem zweifelsohne bereits im Stadium der Verwelkung angekommenen Spätfuchziger aus den Niederlanden. Sprachlich haben sich die beiden auf den größten gemeinsamen Nenner geeinigt: Vergilbtes, jahrzehntealtes Schulenglisch. Hier eine kurze Kostprobe:

Sie: „Is sis your först day? You look very cheesy.“

Er: „Cheesy?“

Sie: „Kaasig, I mean käsig.“

Tattoo

Nichtsdestotrotz flutscht die Unterhaltung. Sämtliche Lokale der näheren Umgebung werden kurz und knackig kommentiert. Luigi hier – Giovanni da. Bisschen zu viel Käse auf der Pizza hier – lauwarme Kaltgetränke da. Nach einer knappen Stunde könnte diese Ansammlung an Bewertungen gut und gerne als regionaler Gastroführer veröffentlicht werden. Zum Abschluss verabreden sich die beiden noch formlos auf eine Fortführung der Plauderei. Zu guter Letzt möchte der Herr das Gespräch noch mit einer Nettigkeit vollenden. Er zeigt auf die Wade der Dame und meint: „and I really like your tattoo!“ Die Reaktion der Angesprochenen ist größtenteils Verwunderung mit einem Hauch Dankbarkeit ob der unverhofften Schmeichelei : „Oh – that´s a Krampfader!“

Autobahn

Beachtenswert sind auch Monologe in der Rubrik Welterklärung. Diese könnten auch nachts um drei Uhr ungeschnitten auf ZDF neo versendet werden. Dankenswerterweise in diesem Fall vorgetragen in meinem absoluten Lieblingsdialekt: Schwäbisch. Und zwar nicht dieses raue, grollende Hüttenwirtsschwäbisch aus dem Allgäu. Nein, dieses feine, sanfte, dahin gesungene Intschenjörsschwäbisch. Aus Gründen der Globalisierung schon andeutungsweise klanglich ins Chinesische abdriftend. Dieses sprachliche Hintergrundbild passt perfekt für einen Vortrag zu nahezu sämtlichen vorherrschenden Gegenwartsthemen. Aus dem Nichts beginnend bei hippen Kryptowährungen. Dann die akute Weltpolitik touchierend. Über einen kurzen, aber sehr unterhaltsamen Abstecher zur Digitalisierung hin zu zum großen Finale: einer prägnanten Abhandlung von soziologischen Theorien. Zur Erleichterung fürs Verständnis mit einprägsamen Sinnsprüchen versehen, die wiederum – passend zum Chinesischen – auch von Konfuzius stammen könnten: „um festzustellen, dass viele Probleme bei der Einschätzung von Risiken haben und ein paar Egoisten sich nicht um die Konsequenz ihres Tuns scheren, da hätt´s kein Corona gebraucht – dazu reichet mir 5 Minuten auf einer deutschen Autobahn“. Der fällige „Tusch“ dazu kommt von Jan-Frederik per Arschbombe vom Beckenrand.

Die kurze Aufregung nutzend, schleiche ich mich in Richtung Hotelbar und mache mir ein paar Notizen. Ich hatte schon befürchtet, dass ich über meinen letzten Alptraum schreiben müsste: Außerirdische wären am Pool gelandet und hätten alle anwesenden Gäste dazu verdonnert stundenlang einen Hula Hoop-Reifen um den Bauch kreisen zu lassen…

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Beitragsbild von Kindel Media