Noch haben die Sommerlochalligatoren in den Dorftümpeln Sendepause. Ein willkommener Zeitvertreib in fast allen Lebensbereichen: Olympische Zustände…

… beim Metzger

Trotz deutlich gebremster Begeisterung finden sich auch im Alltag genügend Gelegenheiten, um dem olympischen Geist zu frönen. Beispielsweise in der Warteschlange vorm Metzger. Mit Abstand eingereiht. Dabeisein ist alles. Früher wurde das Gedränge vor der Ladentheke noch gezielt genutzt, um sich energisch und klammheimlich nach vorne zu mogeln. Es zählten vor allem die vorderen Plätze. Das Podium der Wursteinkäufer. Gold ging meist an ältere Damen, die ihre prall gefüllten Einkaufstaschen auf dem Weg nach vorne gekonnt als Wegräumwaffe einsetzten. Silber holten sich die, die eine Sehschwäche simulierten, sich dadurch so nah an der Auslage tummelten, dass ihnen eine Spitzenposition nicht mehr zu nehmen war. Und Bronze gab es für die Stammkundin, die bereits beim Betreten des Verkaufsraums lauthals alle Anwesenden über das eigene Erscheinen informierte, um sich dann auf der VIP-Expressspur die vorbestellte Ware abzuholen.

…auf den Radwegen

Ein weiteres olympisches Phänomen ist auf den Radwegen zu beobachten: Doping. Bei den Rädern mit elektrischer Unterstützung. Ermächtigt durch die übernatürlichen Kräfte und beseelt vom Rausch der Geschwindigkeit darf sich eine Generation mit fast vier Jahrzehnten Verspätung nun als Easy Rider austoben.

Manchmal wenn ich mich erdreiste einen flotten E-Biker zu überholen. Was an sich schon relativ schwer ist, denn der E-Biker an sich ist sich seiner vermeintlichen Unbezwingbarkeit bewusst. Zur Verdeutlichung seiner Dominanz bewegt sich der E-Biker gerne mittig auf dem Radweg. Und wenn ich es dann doch wage und einen Überholversuch starte, dann kassiere ich im ersten Moment einen Blick der Verwunderung. Dann Verachtung grenzend an Majestätsbeleidigung. In der letzten Phase des gemeinsamen Augenblicks richtet sich die Wut des E-Bikers gegen sein eigenes Gefährt, da der Motor keine Geschwindigkeitssteigerung mehr zulässt.

…sogar bei den Verschwörungstheorien

Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass es zur Vermeidung von überschwänglicher Euphorie im Zusammenhang mit den aktuellen Sportereignissen klare Vorgaben der nationalen Verbände gab. Sowohl der DFB als auch der DOSB hätten ihre Sportler instruiert möglichst auf herausragende Leistungen im Überfluss zu verzichten. Bei den Fußballern funktionierte dies scheinbar noch einwandfrei. Bei den Olympioniken war die ein oder andere Topleistung nicht zu vermeiden. Dies diente wohl eher der Vertuschung.

…im Biergarten

Es sollte nicht zu ähnlichen Szene kommen wie bei den vergangenen Olympischen Spielen. Damals wurden die Ereignisse noch zusammen auf großen Leinwänden verfolgt und die Erfolge gemeinsam hysterisch gefeiert. Unvergessen ist der Auftritt der Ehegattin des Dirigenten der lokalen Blaskapelle. Inspiriert durch den sensationellen Erfolg der Equipe im Dressurreiten kletterte ebenjene hochangesehene Dame beschwingt auf den Tisch im voll besetzten Biergarten, wiederholte die Kür einer deutschen Reiterin in einer unnachahmlichen Mischung aus Verve und Eleganz. Bei der geglückten Piaffe ging ein Raunen durch die Zuschauerschaft. Als sie dann beim Übergang von Traversale zur Passage mit einem Fuß einen Maßkrug touchierte, hielt das Publikum den Atem an. Aber der Krug fiel nicht und große Erleichterung machte sich breit. Abschließend beendete sie ihre Vorführung mit einem famosen Schlusssprung zurück auf den Boden der Realität. Der folgende minutenlange tosende Applaus verursachte beim besagten Ehemann ein Gefühl der Empörung. Denn in all den Jahrzehnten als Kapellmeister konnte er sich nicht an einen ähnlich überwältigenden Beifall erinnern.

…im Wahlkampf

Und selbst der Wahlkampf zur Bundestagswahl im September zeigt sich olympisch. Baerbock ist aufgrund des Fehlstarts und einer drohenden Disqualifikation so verunsichert, dass sie eher einen Sicherheitslauf hinlegt. Scholz ist sich sicher seiner Medaille sicher. Bei drei zur Wahl stehenden Kandidaten wird er mindestens dritter Sieger. Für die SPD klingt das schon nach einem grandiosen Erfolg. Und Laschet? Gefühlt sitzt er noch im Liegestuhl hinter dem Startblock. Schlürft seinen Energietrink aus einem Glas mit Schirmchen und arbeitet gerade an der Choreographie für die Siegerpose. Nur leider ist sein Einpeitscher eher aus der Kategorie überambitionierter, temperamentvoller Südländer. Söder umkreist den verschmitzt lächelnden, in sich ruhenden Laschet und bläst abwechselnd in eine Fanfare oder tragbares Alpenhorn.