Fastenzeit ist Vorsatzzeit. Vorsatzliste „modern“ formuliert: Bucket List. Dinge, die man gerne noch erledigen möchte, bevor man den „Bucket“ – „Löffel“ – abgibt. Was da wäre: einen Fallschirmsprung wagen, mit Delfinen schwimmen, das Surfen lernen oder einen Vulkan besteigen. Oder gleich alle vier Dinge kombinieren. Mit einem Fallschirm in einem Vulkansee landen und sich von Delfinen das Surfen beibringen lassen.
Doch leider gibt es auch diesbezüglich eine schleichende Entwertung. Eine Löffel-Inflation. Bereits Abgehaktes wird im Laufe der Zeit weniger wert. In den unschuldigen 90ern war die Zielzeit für einen Marathon noch irgendwas mit „Grand-Slam-Finale-Boris-Becker+X“. Nach dem Grundsatz: „umso länger, umso heroischer“. Selbst wenn die Ziellinie kriechend passiert wurde, war dem Helden ein Platz auf dem Olymp der Erlediger sicher. Kurz nach dem Überschreiten der vermeintlich unüberwindlichen 2000er Jahresmarke etablierte sich so etwas wie eine DIN-Vorgabe für das Erreichen des Ziels. Bei einer Ankunft nach vier Stunden sollte der Läufer schon eine plausible Ausrede parat haben. Sowas wie: nebenbei drei rohe Eier jonglieren oder das Tragen einer Ritterrüstung.
Mein Freund Harald hatte sich vor einigen Jahren vorgenommen eine Tour-de-France-Alpenetappe abzuradeln. Mit dem Rennrad erschien ihm das Unterfangen als zu vulgär. Für die Einladung zur gemeinschaftlichen Höchstleistung per Tandem hatten ich und der erweiterte Freundeskreis nur ein müdes Lächeln übrig. Somit fiel seine Wahl auf ein Einrad. Er begann mit dem Training in heimischen Gefilden. Zuerst hinaufkurbeln auf den Hausberg und dann mit Karacho hinab ins Tal. Der erste Sturz ging noch halbwegs glimpflich aus. Doch Harald wäre nicht Harald, wenn er nicht bei jedem weiteren Versuch die Heftigkeit des Aufpralls gesteigert hätte. Bis er dann schlussendlich an einem Verkehrsschild förmlich zerschellte. Glück im Unglück: erst wurde er in der Notaufnahme beim Einlesen seiner Gesundheitskarte mit dem Hinweis „Tageslimit überschritten“ abgelehnt. Doch dann konnte ihm der Tierarzt seines Vertrauens gegen Vorkasse provisorisch weiterhelfen.
Weniger gefährlich sind da die bewundernswerten Künste einer Zahlenjongleuse aus Frankfurt. Sie zählt die Nachkommastellen der Zahl Pi auf. Aktuell setzte sie eine neue deutsche Bestmarke. Sagenhafte 15.637 Stellen konnte sie nennen. Das sind 18 Seiten in Word! Ohne Leerzeichen! Vortragsdauer: 2 Stunden und circa 42 Minuten. Eine formidable, marathonmäßige Leistung. Und das ohne körperliche Kasteiung. Ohne Abo für die Notaufnahme. Ohne Teilnahme am Marathonistenstammtisch im Wartezimmer des Orthopäden. Im allerschlimmsten Fall landet sie auf der Psychologencouch. Diagnose: Minderwertigkeitskomplexe. Denn der Weltrekord liegt bei über 70.000 Stellen.
Das exklusive Hobby der jungen Dame ist allerdings keine mentale Einradfahrt. Eher ein Tandemakt. Denn die Zahlenkolonne muss auf Richtigkeit kontrolliert werden. Es braucht also eine Person, die stundenlang höchstkonzentriert lauscht, ob sich da nicht irgendwo ein Fehlerchen eingeschlichen hat. Gerade weil die Protagonisten dabei nicht literweise Schweiß vergießen, fehlt mir die Überzeugung, dass wir hier eine neue Trendsportart entdeckt haben. Es mangelt auch an der Tiktoktauglichkeit. Dachte ich mir. Bis Harald mit der Idee daher kam, dass er die Zahlen auch während eines Fallschirmsprungs aufsagen könnte. Ich springe im Tandem mit, nehme es als Video auf und darf es dann kontrollieren.
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Vielen Dank für das Beitragsbild an Anna Kumpan.
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