Nach 16 Jahren erscheint nun der zweite Teil zu „Spätsommerliche Farbenspiele“.

Große Koalition

Die Bundestagswahl im Sommer 2005 resultierte in einem Zittersieg der Union und bescherte uns neben der Bundeskanzlerin Angela Merkel auch eine zum damaligen Zeitpunkt eher ungewöhnliche Große Koalition. Die Verbindung der Volksparteien wurde als eine Chance zur Beruhigung der Lage gesehen. Die Jahre vorher waren geprägt durch die Wiedervereinigung, 9/11 und „Deutschland als der kranke Mann Europas“. Das Internet war tatsächlich noch „Neuland“. 16 Jahre später bedroht uns eher eine Überdosis des Stillstandes. Das politische Gebaren der nun ehemaligen Volksparteien hat etwas von einem musketierhaften Einheitsbrei: „Alle für einen – Einer für alle!“. Der politische Diskurs verebbt oftmals in einem alternativlosen „Ja und Amen“.

„Zukunft ist gut für uns alle“

Dieses Zitat von Dr. Udo Brömme war der Schlussakkord meines Textes aus 2005 und in Anbetracht der großen Themenblöcke Klimawandel und Digitalisierung erscheint die anstehende Wahl jedoch zukunftsweisender denn je. Doch üblicherweise endet der vorausschauende Blick der Wähler beim nächsten Gehaltszettel oder allerspätestens beim folgenden Steuerbescheid. Von den politischen Akteuren wird allerdings erwartet, dass sie möglichst in einem Aufwasch die genannten kurzfristigen monetären Bedürfnisse der Wähler erfüllen und gleichzeitig nebenwirkungsfrei sämtliche anstehenden Problemfelder bestellen. Zur möglichen Linderung dieses Dilemmas der unterschiedlichen Perspektiven hat der Ökonom Felbermayr in der ZEIT laut über eine Gewichtung der Wählerstimmen in Relation zur verbleibenden Lebenszeit nachgedacht. Ein interessanter Gedanke…

Inhaltliche Leere

Im Wahlkampf 2021 wurde für die meiste Zeit – vermutlich begründet in wohlwollender Anerkennung und angebrachter Reminiszenz an die aus dem Amt scheidende Kanzlerin – ein inhaltliches Moratorium vereinbart. Daher wollen wir uns kurz mit den Personen beschäftigen.

Baerbock

Den Absatz über Baerbock hatte ich schon fertig geschrieben und dann wieder gelöscht. Denn das mit der grünen Regierung hat sich vorzeitig erledigt. Eigentlich schade. Das hätte ich gut im Sommerloch unterbringen können: vegetarischer Alligator verweigert Angriff auf grüne Badenixe aufgrund Unverträglichkeit…

Laschet

Was für ein Missverständnis! Merkel regiert jahrzehntelang mit dem „Weiterso/AllesGut“-Mantra vor sich hin und da war es natürlich absolut konsequent, dass sich die Union für den Kandidaten entschieden hat, der eben dies verspricht. Doch alle paar Jahrzehnte erwacht das deutsche Wahlvolk aus seiner Passt-schon-Lethargie und verordnet sich selbst eine Extraportion Reinemachen. Wenn ich an den Unionswahlkampf denke, dann sehe ich das Bild vom sich abmühenden, schwitzenden Laschet. Er kämpft sich tapfer voran und trägt huckepack den schwergewichtigen (ausschließlich bezogen auf sein mediales „Gewicht“) Antreiber Söder, der ihn mit den Worten „Schneller, schneller“ anfeuert.

Zauberschlumpf

Und gleich nochmal Söder. Denn er hat uns das Bild vom Scholz-Schlumpf spendiert. Ursprünglich mindestens als Herabwürdigung gedacht, wurde daraus ein Sinnbild für erfolgsversprechende Harmlosigkeit. Weder die tonnenschweren Altlasten aus diversen Skandalen noch die Tatsache, dass Scholz als Teil der bestehenden Regierung für die aktuelle Lage eher verantwortlich ist als Laschet, konnten den Aufwärtstrend gefährden. Der Zauberschlumpf, der sich als Überraschung selbst aus dem Zylinder zaubert.

Prognose

Vorab ein Hinweis. Rot-rot-grün hatte bereits im Jahr 2017 die Wahl „gewonnen“. Laschet wirkt nun wahrlich nicht wie ein Wechselwählermagnet, der dieses Ergebnis umkehren könnte. Die Regierungsbildung entscheidet sich dann wieder im Nachgang in den Hinterzimmern und auf den Balkonen. Hier stellt sich die übliche Grundsatzfrage: wer bekommt wieviel vom Kuchen ab? Es käme dann eventuell zu der irren Konstellation, dass die FDP unter roter Führung mehr vom Kuchen erhält als bei den Schwarzen. Und für die Grünen wäre es dann genau andersrum.

Appell

Zum Abschluss noch ein parteiloser, neutraler Appell: Bitte bei Abgabe der Erststimme die mögliche Auswirkung auf die Aufblähung des Parlaments berücksichtigen. Vielmals wird mit der Erststimme ein bekannter Kandidat der großen Parteien gewählt. Name und Visage wirken aufgrund der gezielten und geschickt inszenierten Präsenz in der lokalen Tagespresse bestens vertraut. Weicht allerdings die gewählte Partei bei der Erst- von der Zweitstimme ab, dann könnte dies durch die Bildung von Überhangmandaten eine weitere Vergrößerung des Parlaments bewirken.