Das Schlangestehen im Gemüseladen erinnert an frühere Besuche im Vergnügungspark. Ähnlich zu Europas größter Achterbahn mit 27 Loopings stehe ich kilometerlang an, um dann endlich ans Ziel zu kommen: ich darf Gemüse kaufen. Und wenn zudem noch plötzlich jemand ohne Maske auftaucht oder die gebotenen Abstandsregeln nicht einhält, dann jagt mir das einen Schrecken ein, als wäre ich in der Geisterbahn. Huch!

Im Urlaub stöbere ich gerne durch Supermärkte, um andersartige oder mir unbekannte Produkte zu entdecken. Die Kombination von spektakulär gestalteten Motiven auf der Verpackung und einer Ansammlung von vielversprechenden Begriffen in einer fremden Sprache versetzen mich in einen Zustand eines Kosmopoliten mit einer ordentlichen Portion kleinkindlicher Begeisterung.

Ein unverhofftes Urlaubsvergnügen wurde mir unlängst beim Einkaufen im lokalen Nahversorger bereitet. Es geschah beim Griff nach den Frühstücksgetreideflocken. Gekonnt angelte ich die Schachtel aus dem obersten Regal. Beim Einsortieren in den Einkaufswagen fiel ein schneller, hastiger Blick auf die Verpackung. Sind das die Richtigen? Das abgedruckte Motiv erweckte zumindest den Anschein. Und dann – Kabumm – ein unverhoffter Kurzurlaub im Ausland. Ein Urlaubsgefühl stellte sich ein.

Auf der kompletten Vorderseite wird kein einziges Wort in deutscher Sprache verwendet. Ausschließlich Englisch. Na gut – irgendwie haben wir uns schon daran gewöhnt, dass Flakes halt Flocken sind und keine norwegische Wikingerspeise. „Source of fiber“ soll wohl andeuten, dass der Inhalt nicht aus Kunststoff oder Ähnlichem besteht, was mich doch sehr erleichtert. Bei „bursts of strawberries and cherries“ nehme ich an, dass es bei der Herstellung zu einer Explosion kam. Hoffentlich gewollt und einigermaßen kontrolliert. Okay. Ich esse das Zeug eh nicht, sondern meine Mitbewohner. Also mitnehmen und weiter…

Ich brauche mich in der Regalreihe nur umzudrehen und lande auf dem Boden der Tatsachen. Mehr dahoam geht nicht. Abgepackte Heimat. Beim Anblick des Müslis vernehme ich vermeintlich den Ruf, der mir aus der betont hausbackenen und bodenständigen Werbung vertraut ist. Doch so groß scheint das Vertrauen in den eigenen Werbewert doch nicht zu sein. Es prangt dort ein sehr auffälliges „Super food“-Etikett auf dem Beutel. Ein schweifender Blick durch das Regal. Würde ich tatsächlich nur Produkte kaufen und verzehren, deren Verpackung keine englischen Begriffe enthält, dann sollte ich damit wohl besser bis zur Fastenzeit warten.

Zuhause angekommen wollte ich die Angelegenheit dann doch nicht auf sich beruhen lassen. Nur mal kurz nachfragen, wie es zu dieser sprachlichen Verunstaltung der Verpackung gekommen ist. Soll am Ende die Verunsicherung der Bevölkerung in der aktuellen Krisensituation genutzt werden, um die deutsche Sprache abzuschaffen?

Folglich – der Griff zum Telefon. Die Wartezeit in der „heißen Linie“ des Flockenherstellers wird durch flotte Musik begleitet und so kann ich nebenbei mein tägliches Gymnastikprogramm absolvieren. (Manche Übung gelingt nicht so gut in Jeans, doch aus dem Arbeiten Dahoam wissen wir, dass Kleidung bei einem Telefonat nur eine untergeordnete Rolle spielt). Die Dame am anderen Ende der Leitung war nur kurz ob meines leicht hektischen Atems zu Beginn des Telefonats irritiert, doch dann sollte es zur Sache gehen. Dachte ich zumindest. Ich legte los mit einem Feuerwerk der investigativen Fragen. Doch der Hersteller hat sein Personal hervorragend geschult und schon nach wenigen Minuten bekommt das Gespräch einen therapeutischen Duktus. Klar, sind da noch irgendwo tief vergrabene negative Erinnerungen an meine Englischlehrerin in der Unterstufe. Es wurde schmerzhaft, doch in einem Moment der Unachtsamkeit meiner Kontrahentin gelang mir die Überleitung zur Politik. Ein paar zusammenfassende Sätze zu Trump und der allgemeinen Lage in den USA meinerseits. Schlussendlich waren beide Seiten mit dem Ausgang des Gesprächs sehr zufrieden. Wiederhören!

Der Anruf bei den zweiten Hersteller endete nach nur wenigen Sekunden. Nein, also DEN Dialekt konnte ich nach den Strapazen nun wirklich nicht ertragen.

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