Der Sommer war herrlich. Corona erfolgreich verdrängt und nahezu vergessen. Ich stelle mir vor, wie das Virus – ein giftrot, stacheliges Mönsterchen – irgendwo im Freibad saß, uns beim Planschen beobachtete und den Antrag auf Kurzarbeit ausfüllte. Beleidigt und verhöhnt musste es zur Kenntnis nehmen, wie die potenziellen Wirte ihrer sorglosen Freude Ausdruck verliehen.

Der körperliche Expressionismus des 21. Jahrhunderts kann vor allem in den öffentlichen Badeanstalten bewundert werden. Eine direkte Folge des Klimawandels: umso wärmer der Sommer, umso mehr Gelegenheit seine Tätowierung – meist im Plural – zu präsentieren. Hohe Temperaturen laden eher dazu ein die Bekleidung abzulegen und die Abziehbilder der persönlichen Weltanschauung darzustellen. Leider sind derzeit sämtliche Supercomputer der Welt mit statistischen Modellierungen rund um das Thema Corona belegt. So verbleibt keine Kapazität den Zusammenhang zwischen Klima und Tattoo-Häufigkeit zu ermitteln.

Zurück zum Virus im Freibad. Wir beide – das Virus und ich – waren sehr erstaunt, wie schnell sich Corona auch als Tattoo-Motiv durchgesetzt hat. Sehr witzig: das angeleinte Virussymbol mit einem „wir müssen draußen bleiben“-Schild. Mangels frei verfügbarer Körperflächen allerdings etwas betrachterunfreundlich auf der rechten Wade platziert. Einfach fies: F### Covid. Ein plakativer Aufschrei quer über den oberen Rücken. Perfekt abgestimmt mit der leicht überdimensionierten und somit furchterregenden Abbildung einer Ameise auf dem Restrücken. Bleibt noch die verspielte Verschwörung: das Virus, das mit Kaninchenöhrchen aus einem Zauberhut lugt. Neckisch, fast schon versteckt seitlich unter der Achselhöhle.

Nun – der Herbst und die Gunst der Stunde für das Virus sind da. Die Freizügigkeit wird durch Regeln und Einschränkungen ersetzt. Kontaktfastenzeit als Einstimmung auf eine kuschelige Vorweihnachtszeit. U.a. untersagt sind weiterhin Großveranstaltungen. Die Bundesregierung definiert diese als Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen. Dies führt zur Folgefrage, was denn eigentlich Unterhaltung ist. Man findet u.a. die folgende Herleitung: kulturelle Aktivität, mit dem Ziel dem Publikum eine Freude zu bereiten. Tja – liebe Club-Fans – ab ins Stadion!