Unter der Rubrik BULLAUGE berichtet Monsieur Canary heute von einem Reiseerlebnis der etwas anderen Art.
„Zwischenstopp in Paris“. Hört sich ganz harmlos an, kann dennoch verherrende Folgen haben. Zwei Stunden Aufenthalt auf dem Flughafen Charles de Gaulle kann mein Innerstes nach Außen kehren. Beeindruckt vom „Laissez-faire“ unserer Nachbarn lass ich mich zu völlig sinnlosen und stupiden Taten hinreißen. Voller Neid begaffe ich einen adrett gekleideten, jungen Franzosen, wie er neben mir steht und gedankenverloren die vorgestrige Ausgabe der „LeMonde“ studiert. Das was ihn so beneidenswert macht, ist sein Schal. Kunstvoll, elegant und nicht zu sehr vor Eitelkeit strotzend trägt er das Tuch um seinen Hals. Nein, nicht nur um den Hals. „Oberkante-Unterlippe“, wie ein „Ich-war-schon-auf-jedem-Barabend-der-Stadt“ sagen würde. Oberhalb des Schals wurde die Zigarette plaziert. Zumindest das was davon übrig geblieben ist. Eher ein Nikotinstumpen. Manchmal kommt es mir so vor, als würden die Glimmstengel in anderen Ländern schon in Stumpen verkauft. Hin und weg von diesem Anblick schleiche ich mich zur Toilette. Ich durchsuche meinen Rucksack nach meinem Schal. Gesucht, gefunden! Doch ohlàlà – mit meinem Exemplar kann ich wohl eher auf der Welt-Turban-Expo auftreten. Der ist zu lang. Damit passe ich schon fast ins Täterprofil. Wo ist denn nur meine Nagelschere? Ich habe sie extra gründlich versteckt. Um sie durch die Sicherheitskontrolle zu bekommen. Einem angehenden Passagier, der vor mir gefilzt wurde, wollten sie eine Rasierklinge wegnehmen. Da nahm er sich sein Rasierzeug, verschwand für ein paar Minuten und kam dann frisch rasiert zurück. Sie ließen ihn trotzdem nicht durch, da er 40cm lange Nagelfeile in seiner Tasche hatte. Ich dagegen konnte meine Schere durchschmuggeln. Nun schnitt ich damit meinen Schal zurecht. Es sah etwas fransig aus, doch das gab dem ganzen einen verrucht-lässigen Touch. Auf dem Weg zurück zum Wartebereich begegnete ich dann fünf ältere Amerikanern. Locker, flockig in Shorts und T-Shirts gekleidet!
Nun mag man mir vorwerfen, ich sei ein engstirniger Nationalist, der nur dumme, ausgewaschene Vorurteile verbreitet. Dem ist aber nicht so. Ich bin Europäer. Durch und durch. Wenn am Fernseher die europäische Hymne läuft, dann stehe ich im Stillgestanden vor der Couch. Wenn beim Ryders Cup die Equipe des „alten Kontinents“, den Vertretern der Ausgewanderten den Hintern versohlt, dann hisse ich im Vorgarten die Europäische Fahne. Und am Tag der Wahl für das europäische Parlament schmücke ich meine Fenster mit kleinen Europa-Fähnchen und Blumenkästen mit Blumen in den Farben unserer Nachbarländer. Meine Kinder werden nach den neuen Mitgliedsstaaten benannt und bald hole ich mir noch einen deutschen Schäferhund, der dann „Türkei“ getauft wird.
Und es hat noch einen weiteren Vorteil, die Welt von einem europäischen Standpunkt aus zu betrachten: Wenn ich die, bei den olympischen Spielen errungenen, Medaillen der Mitgliedstaaten addiere, dann muss ich mir nicht mehr lange das deutsche Gejammer anhören. Denn dann wäre Europa die erfolgreichste Nation. Nur schade, dass die Besten immer gedopt sind!!
So – ich muss jetzt weg. Auf BIB-TV läuft meine neue Lieblingssendung: “Uni-Camp: Ich bin ein Student – Holt mich hier raus!“ Auf die teilnehmenden Studenten warten schier unüberwindbare Hindernisse. Ekelerregendes Essen und Prüfungen, die sie an die Grenzen ihrer geistigen Kapazitäten heranführen sollen!
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