Ein an sich harmloser Fernsehnachmittag beschert Charles Canary einen Akt der Vergangenheitsbewältigung der besonderen Art.

Soll ich nun die Blase aufschneiden oder lieber doch warten bis sie von selbst aufgeht? Ein altbekanntes Problem. Wo ich diese Blase habe? Rechter Daumen. Und wieso? Hardcore Zapping.
Es ist einer dieser wunderbaren Sonntagnachmittage. Ich genieße meine Freiheit und den Tag ohne Verpflichtungen. Nach dem Mittagessen platziere ich meinen Allerwertesten im Fernsehsessel. Sogleich finde ich ein paar interessante Sendungen. Bei den Damen und Herren der ersten bzw. zweiten Reihe läuft Wintersport. Nonstop. Die wunderbare Welt des Privatfernsehens zeigt mir feilschende Autohändler mit Cowboystiefeln aus Krokodilleder, die der wagemutige Held vom Nachbarkanal für sie erlegt hatte. Und dann entdecke ich IHN. Den Superhelden meiner Kindheit. WINNETOU!

An meine jüngeren Leser: Winnetou ist sowas wie „Schuh des Manitu“ nur ohne Diskriminierung von gesellschaftlichen Minderheiten wie Schwulen und Griechen. Leider ist es Winnetou 3. Ich erkenne es sofort. Etwas Bedrohliches liegt über jeder Szene des Films und deutet das baldige Ableben der rothäutigen Lichtgestalt an.

Oh welch tragische Kindheitserinnerungen verbinde ich mit dem Ende dieses cineastischen Meisterwerks. Das Gesehene stürzte den kleinen Charles in eine posttraumatische Depression der allerschlimmsten Sorte, von der er sich erst Wochen später erholen konnte. Tag und Nacht grübelte ich über grundlegende Dinge wie den Tod und vor allem das Leben danach. Diese frühkindliche Bewusstseinskrise ließ sich nur durch den Abschluss einer Risiko-Lebensversicherung beenden. Begünstigter war und ist auch heute noch die Vereinigung von verwaisten Apachenkindern.

Für mich war der Häuptling der Mescalero-Apachen damals ein Vorbild. Der Retter der Welt. Als sich der Rest des Kindergartens um das letzte Legosteinchen raufte, stand ich mittendrin, appellierte an die Vernunft der Kämpfenden und bat Manitu um die Erleuchtung der verirrten Seelen. Erst als dies nicht half, ließ ich die Silberbüchse, welche ich mir beim letzten Volksfestbesuch erbettelt hatte, für mich sprechen. Und dann war da noch sein Pferd – Iltischi. Bei meinen Eltern stieß ich auf wenig Begeisterung, als ich das Schaukelpferd meiner Schwester mit schwarzer Wasserfarbe in ein Duplikat des Indianerpferdes verwandelte. Die Farbe erwies sich als leicht löslich und verfärbte die weiße Strampelhose meiner Schwester zu einem avantgardistischen Zebra-Look. Leider wurde meine künstlerische Ader ignoriert und es hagelte einen klassischen Zimmerarrest. Den ich aber wohl zu nutzen wusste. Mit der Lektüre des ersten aller Winnetou-Bände: „Winnetou ½ – Winnetou als Aupair in Paris“. Daher auch dieser neckisch putzische Akzent.

Natürlich bleibe ich bei dieser oscar-verdächtigen Verfilmung etwas länger hängen. Erst in der folgenden Werbepause kann ich mich davon losreißen. Nun fehlt mir zu meinem Glück nur noch „Sissi 1“. Der erste Teil in dem die Welt noch in Ordnung ist und sie sich den österreichischen Kaiser angelt.