Charles Canary heute als Daten“messie“ und Zeremonienmeister.

Gewichtige Zahlen

Eine der Lektionen, die wir aus dem pandemischen Schlamassel gelernt haben, ist die Wichtigkeit einer soliden, brauchbaren Datenlage. Bereits seit mehr als 20 Jahren notiere ich mir täglich akribisch mein aktuelles Gewicht in ein kleines Büchlein. Einmal im Monat erfolgt ein Übertrag in eine Excel-Tabelle. Anhand einer persönlichen Vorliebe zu statistischen Zusammenhängen kamen über die Jahre immer wieder neue sammelnswerte Angaben hinzu.

Falscher Fuß

So wie die Gewichtsangabe am Abend, so gehörte schon bald die Information, ob ich mit dem linken oder mit dem rechten Fuß aufgestanden bin, zu meinen Pflichteingaben. Wobei es hierbei erst einmal einer Definition bedurfte. Für mich zählt der Fuß, mit dem ich den ersten Schritt mache und nicht in etwa der Fuß, der als erstes den Boden berührt. Denn dabei spielt – per Selbstversuch nachgewiesen – die räumliche Anordnung des Bettes eine enorme Rolle. Bei einem Ausstieg nach rechts ist der linke Fuß deutlich benachteiligt.

Selbst bei der Vorgabe „erster Schritt“ kommt es zuweilen zu brenzligen Überlegungen. Vor Jahren hatte ich für mehrere Wochen ein Gipsbein, so dass das lädierte Bein „vom Wettbewerb ausgeschossen war“. Ich entschied mich dazu, für diesen Zeitraum die historische ermittelte Verteilung des Fußeinsatzes zu verwenden, sodass es zu keiner signifikanten Verfälschung kommen konnte. Es gehört auch eine gewisse Fertigkeit dazu, die relevante Bewegung jeweils bewusst unbewusst auszuführen. Sozusagen unparteiisch. Neutral.

Fata Morgana

Und siehe da. Nach jahrelanger Analyse und wiederkehrenden Auswertungen meiner „Datenwüste“ gedieh dann doch ein zartes Pflänzchen der statistischen Abhängigkeit. Es könnte sein, dass ich tendenziell eher weniger Gewicht zulege, wenn ich meinen Tag mit dem Auftritt meines linken Beines beginne. Zumindest wenn ich die Daten für Monate, die ein „z“ beinhalten, nicht berücksichtige. Das klingt doch nach einem vielversprechenden Schritt in die richtige Richtung.

An dieser Stelle will ich aus Gründen der Vollständigkeit noch erwähnen, dass ich – allerdings lediglich für den Zeitraum von fünf Jahren – auch meine tägliche Abgabemenge an Urin in Litern erfasst habe. Ehrlicherweise habe ich den Wert an den allermeisten Tagen eher geschätzt als gemessen. Die erwartbaren statistischen Zusammenhänge zur Menge an zugeführter Flüssigkeit oder auch zur Anzahl der täglichen Toilettengänge betrachte ich aufgrund Redundanz als unspektakulär.

Rituale

Mein Freund Harald – der kühle Kalkulator – kommentierte meine Erhebungen mit „abergläubisches Gedöns“ und meinte ich sollte lieber mir mal an den Tennisstars ein Beispiel nehmen, die ihre Spiele und Ballwechsel durch aufputschende, an Hypnose grenzende Mätzchen einleiteten, um anschließend ihre Höchstleistung abzurufen. Daher führte ich mir daraufhin ein paar Videoschnipsel von Nadal und Co zu Gemüte und beschloss diese vielversprechende Methode in meinen Arbeitsalltag einzubauen.

Vor wichtigen Terminen und Besprechungen klopfte ich – vor dem Einnehmen meines Sitzplatzes – sämtliche meiner Extremitäten mit der flachen Hand einmal kurz und schwungvoll ab. Anschließend massierte ich noch meine Ohrläppchen. Zuerst nacheinander, dann gleichzeitig mit dem krönenden Abschluss eines kurzen Zungenbleckens. Zur Mobilisierung meiner Sinne und Schärfung meiner Aufmerksamkeit. Meine Kollegen gewöhnten sich schnell daran und belächelten es als „Morgengymnastik“. Ein anwesender gastierender Geschäftspartner aus China quittierte das Spektakel mit dem Kommentar: „A Schuhplattler!?“ Dies sorgte für allgemeine Erheiterung und eine positive Grundstimmung.

Etwas weniger auffällig war die Marotte „Wickie“, bei der ich mir bei wichtigen Fragen und Entscheidungen mit dem Bügel meiner Brille zuerst jeweils seitlich an den Nasenflügeln und danach einmal quer unterhalb der Nase entlang eines imaginären Schnurrbartes rieb. So fand ich meine innere Ruhe und konnte mich auf die Lösung des Problems konzentrieren. In den allermeisten Fällen folgte darauf eine erleuchtende, grandiose Idee bezogen auf das vorliegende, akute Thema. Oder zumindest ein sonstiger, nützlicher Gedanke. Zum Beispiel betreffend den persönlichen Speiseplan für die kommenden Tage. Den behielt ich dann allerdings für mich.

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