Ich hatte nicht damit gerechnet, dass das ordinäre Thema Trinkgeld eine dermaßen überwältigende Resonanz auslösen würde. Es kamen allerlei bedenkenswerte Vorschläge sowie vor Realismus triefende Ratschläge. Hier eine kleine Auswahl: von Trinkgeldlotterie über Trinkgeldzertifikatehandel bis zu „Bedienung legt das Trinkgeld je nach Betreuungsintensität fest“.

Köstlichkeiten

Neulich traf ich meine Nachbarin Frau Müller in der Metzgerei. Nach einem kurzen, aber heftigen Austausch von handelsüblichen Nettigkeiten entdeckte ich den Korb voller Köstlichkeiten, den Frau Müller bei sich hatte. Ich fragte in meiner harmlosen suggestiv-investigativen Art, ob sie denn an einem Manöver für das nächste Weihnachtsmahl teilnehmen würde.

Meine kesse Frage bezüglich der Verwendung ihrer Einkäufe beantwortete sie mit „ich habe die Handwerker zu Hause“. Mein verblüffter Antwortblick veranlasste sie zu einer ausführlicheren Erläuterung. Von ihrer Kneippfreundin Frau Schwarzmeier-Straub hat sie freundlicherweise den Hinweis bekommen, dass es heutzutage schwer genug sei an diese Rarität zu kommen. Und wenn sie dann mal da sind, dann sollte die volle Konzentration darauf gerichtet sein, dass sich der begehrte Dienstleister auch wohlfühlt. Daher habe sie nun damit begonnen ihre „Gäste“ zu bekochen. Heute gibt es vorab ein appetitanregendes Süppchen. Dann einen schmackhaften Hauptgang: Steak mit Kartoffelgratin. Dazu ein süffiges Vollbier einer ortsansässigen Brauerei. Als Nachtisch wartet dann ein selbstgemachtes Tiramisu auf die Herren.

Zusatzleistungen

Ursprünglich war ein etwas opulenteres Mahl geplant. Doch kurzfristig wurde von den Handwerkern die offerierte Autowäsche gebucht. Und da sich zu dem Firmenfahrzeug „zufällig“ noch zwei Privatwagen gesellt haben, wäre dies nicht in einer Stunde getan. Daher bliebe ihr leider keine Zeit für die Zubereitung eines gebührenden Menüs.

Als besondere Zuwendung scheut Frau Müller fast keine Kosten und Mühen. Sie organisiert sogar einen mobilen Phyiso. In einem umgebauten Krankenwagen werden die ausgemergelten Körper direkt nach Arbeitsende durchgeknetet und für die folgenden Einsätze präpariert.

Tinder für Handwerker

Als sie mir dann noch erzählt, dass es eine App-Plattform namens MeinKund.de gibt, die es den Handwerkern ermöglicht ihre Kunden anhand der gebotenen Leistungen zu bewerten, war ich schlichtweg erstaunt. Das würde den Auswahlprozess deutlich erleichtern. Und natürlich transparenter machen. Bevor ein Kundenauftrag angenommen wird, kann somit die Qualität des Kunden geprüft werden. Frau Müller erhofft sich, dass sie durch ihre Anstrengungen eine sehr gute Bewertung erhalten wird und zukünftig davon beim Engagement von begehrten Arbeitskräften profitieren wird. Derzeit hat sie vier von fünf Sternen. Frau Schwarzfischer-Straub hat sogar die höchste Bewertung erlangt. Höchstwahrscheinlich verdankt sie dies ihrem Jacuzzi, das die begehrte Zunft nach getaner Arbeit gerne zur Erholung nutzt. Dazu werden noch saisonale Cocktails und leckere Häppchen kredenzt.

Wem dies nun alles zu verrückt klingt, dem rate ich tunlichst davon ab nach „Fälschung MeinKund.de Bewertung“ im Internet zu suchen…

Beitragsbild von cottonbro