Blogeintrag über wissenschaftliche Modellrechnungen und heimtückische Rindviecher.
 
Kurze Rückschau. Im Text „Wetten dass“ ( https://bullauge.wom87.de/2020/11/23/wetten-dass-2/ ) aus dem November habe ich mich etwas aus der Deckung gewagt und mir erlaubt den politischen Heroen zu widersprechen. Im Spätherbst wurde öffentlich diskutiert, ob ein Lockdown für ein paar Stunden, oder gar Tage oder allerschlimmstenfalls für ein paar Wochen erforderlich sei. In meinem Blogbeitrag hatte ich die kesse Spekulation verbreitet, dass der Lockdown sogar bis Ostern dauern könnte.


Nun war meine Vorhersage nicht völlig aus der Luft gegriffen. Um meinen Lesern den nötigen informativen Mehrwert zu bieten, hatte ich im Rahmen der Vorbereitung meines Textes keine Kosten und Mühen gescheut. Nach wochenlanger Recherche hatte ich mich entschieden, auf der Internetseite www.dereinzigwahrecoronaexperte.de einen sogenannten Modellierungsapparat zu bestellen. Eben jenem Gerät wurde nachgesagt, dass es die pandemische Entwicklung möglichst präzise modellieren könne und somit einen Blick in die Zukunft erlaube.

Dass die Lieferung per Spedition erfolgte, war nicht weiter verwunderlich, denn – wie man es bei einem Verkäufer aus der Wissenschaft erwarten konnte – trafen die im Vorfeld genannten Größenangaben für die Maschine bis auf den letzten Millimeter zu. Es war etwas Glück dabei, dass zeitgleich im Nachbarhaus eine Lagerhalle zur Anmietung frei wurde, so konnte das Ungetüm gemäß den Vorgaben des Herstellers aufgestellt werden. Beim ersten Anblick nach der geglückten Installation kam mir der Begriff Größenwahn in den Sinn. In einem äußerst positiven Sinn. Ein XXL-90er-Jahre Computer versehen mit analogen Zusatzfunktionen. Dazu später mehr. Auf jeden Fall war ich spürbar erleichtert, als ich die USB-Schnittstelle entdeckte.

Also dann ans Werk. Irgendwie erschien es mir angebracht, aus der Faschingskiste den weißen Laborkittel herauszukramen, der zuletzt im Chemieunterricht in der Mittelstufe im Einsatz war. Tatsächlich war die „Fütterung“ des Kastens mit den erforderlichen Daten nicht sonderlich aufwendig. Die Informationen konnte ich mir ohne große Mühen im Internet besorgen und per USB-Stick einspielen. Dann mussten ein paar weitere Eingaben per Tastatur getätigt werden. Mit einem Gefühl irgendwo zwischen Heldentum, Spannung und Vorfreude drückte ich die Los-Taste. Sogleich wurde die Berechnung gestartet. Wie in einem historischen Science-Fiction-Film flimmerten und zuckten minutenlang neongrüne Zahlenkolonnen über den mattschwarzen leicht gekrümmten Bildschirm. Im Anschluss war – wie bei der Zubereitung eines Cappuccinos durch einen Kaffeeautomaten – zuerst ein leises Gluckern, dann ein Zischen zu hören und am Ende stieg aus einem kleinen Röhrchen am hinteren Teil des Gehäuses weißer Rauch auf: Habemus Prognosem!

So kam ich also zu meiner Vorhersagung zur Erreichung des ausgegebenen Ziels von einem Inzidenzwert 50 pünktlich zum Osterfest. Bis ungefähr Anfang März, waren wir auch auf einem guten Weg, doch dann kam die Mutante. Zum Zeitpunkt der Erstellung der ursprünglichen Prognose dachte ich bei diesem Wort assoziativ an ein weibliches Rindvieh in der Verwandtschaft. Also belegte ich neben dem Masterstudium in Hobbyvirologie auch noch den Schmalspurbachelor in Mutationslehre.

Meine Beschwerde per E-Mail an den Verkäufer wurde vollgepackt mit semiwissenschaftlichen Anschuldigungen über die Fehlbarkeit von Modellrechnungen und einer Prise von Beleidigungen, die argwöhnisch als persönlich hätten bewertet werden können. Dazu noch das standardmäßige, dreiseitige Begleitschreiben zu möglichen juristischen Konsequenzen. Die Antwort darauf fiel dann derart unspektakulär aus, dass ich es wiederum persönlich hätte nehmen müssen: Siehe Gebrauchsanleitung Seite 177 unter Tastenbelegung.

Zutiefst widerwillig und das Schlimmste ahnend, blätterte ich durch die Anleitung. Auf Seite 177 stand, dass bei epidemiologischen Modellierungen vorsichtshalber per Tastenkombination Steuerung, Umschalttaste und Taste M die Zusatzfunktion Mutation aktiviert werden sollte. Zähneknirschend warf ich die Anleitung in die dafür vorgesehene Ecke und machte mich ans Werk, um diesen Text zu verfassen…und eine Postkarte an die liebe Tante…